co:hub66 Q&A mit mateligent

Interview mit mateligent

Im Rahmen der Reihe “Startup Q&A @ co:hub66” präsentieren wir euch regelmäßig regionale Startups und geben Interessierten und zukünftigen Gründer:innen Insights über individuelle Erfolgsgeschichten sowie “Tipps von Gründer:innen für Gründer:innen”.

Diese Woche durften wir Jens Preetz von mateligent Fragen übers Gründen und über die Erfolgsgeschichte des saarländischen Startups stellen.

Wer seid ihr?

Wir sind mateligent, ein Startup mit zwei Tochterunternehmen aus Saarbrücken. Mateligent ist aus dem Institut für intelligente Materialsysteme, kurz iMSL, heraus zusammen mit Professor Seelecke und Professor Motzki gegründet worden. Wie der Name schon sagt, kümmert sich der Lehrstuhl um Systeme aus intelligenten Materialien. Mateligent führt dies von der Forschung in die Serie fort. Dabei gibt es zwei Schwerpunktgebiete. Zum einen die sogenannten Nickel Titan Legierungen und daraus entstehenden Systeme, wie Ventile, Sensoren, Aktoren und der Elastokalorik. Der zweite Bereich sind die elektroaktiven Polymere. Das heißt, wir nehmen z.B. eine Silikonfolie und bedrucken diese mit Elektroden. Dadurch erhält diese Silikonfolie aktorische und sensorische Eigenschaften. Auch daraus bauen wir dann Systeme wie Lautsprecher, Pumpen, Ventile, Sensoren. Die Möglichkeiten sind schier grenzenlos.

 Welches Problem wollt ihr lösen?

Wie man aus der vorherigen Antwort schon hören konnte, sind die Möglichkeiten sehr umfangreich. Kernthemen aus der klassischen Sicht eines Industriebetriebes, die tatsächlich den Markt berühren und bei denen Bedarf besteht, sind die Reduzierung des Energieverbrauchs, Gewichts und Bauraums und damit der Kosten. Dies können wir hervorragend beantworten, weil die Technologien dramatisch weniger Bauraum brauchen. Ein Beispiel: Ein Aktordraht aus Nickel Titan von 500 Micrometer Durchmesser, also etwas dicker als ein Haar, erzeugt bei Bestromung eine Kraft von rund 100 Newton. Also kann ich mit einem Draht so dünn wie ein Haar zehn Kilogramm anheben oder bewegen. Dies ist eine Bauraum-Leistungsdichte, die einzigartig ist. Und was wirklich sehr hilfreich ist, beim Aktuieren können wir direkt aus dem Drahtwiderstand mit hoher Präzision die Position bestimmen, ganz ohne zusätzliche Sensoren.
Im Bereich der dielektrischen Elastomere haben wir Aktoren, deren Aktorfilme nur wenige Micrometer dünn sind, die bis in den Kilohertz Bereich aktuieren können. Da es sich um kapazitive Systeme handelt, ist der Energieaufwand z.B. im Vergleich zu einem Proportional-Aktor um 99 % geringer.
Es gibt außerdem eine dritte Säule, die disruptiv ist. Und zwar die der Elastokalorik. Die Elastokalorik ist ein „Festkörper-Kühlen und -Heizen“. Wir benutzen in diesem Fall sogenannte superelastische Nickel-Titan- Legierungen, die eigentlich aus der Medizintechnik kommen. Werden diese speziellen Drähte mechanisch beansprucht, also gedehnt, erzeugen sie Wärme. Wenn man sie entspannt, erzeugen sie Kälte. Das Temperaturdelta mit den aktuellen Legierungen erreicht hier bis zu 40 Kelvin. Wenn man das Ganze in eine Maschine packt, bekommt man eine Klimaanlage, eine Wärme- oder Kältemaschine. Und zwar beides gleichzeitig. Und was ist daran disruptiv? Vielerlei Dinge. Erstens der sogenannte COP, also der Leistungskoeffizient, der aussagt, wie viel thermische Leistung man für die eingesetzte Energie erhält. Also z.B. 1 Watt elektrisch rein, 3 Watt thermisch raus entspricht dem COP 3. Dabei wird die Energie der Umgebung in Form von Temperatur entzogen, wie man das von Kühlschränken oder Wärmepumpen kennt. Dieser COP liegt bereits bei unserem Prototypen bei rund zehn. Die besten Wärmepumpen auf der Welt haben einen COP von fünf. Üblicherweise liegt dieser COP irgendwo bei zwei bis drei. Das heißt, wir können den Wirkungsgrad im Bereich Wärme-/Kälteerzeugung dramatisch erhöhen. Das zweite ist, dass wir dafür keine klimaschädlichen Flüssigkeiten oder Gase benötigen. Außerdem braucht es keinen separaten Wärmetauscher, denn die Luft oder das Wasser kann direkt an den NiTi-Drähten vorbeiströmen und die Temperatur abnehmen. Der theoretische Wirkungsrad des Materials liegt bei COP 30.

Der weltweite Bedarf an Wärme-/ Kältetechnologie ist dramatisch. Wir haben mehrere Milliarden Klimaanlagen im Markt, die alle klassisch mit dem Wärmepumpen-Prinzip arbeiten. Es kann enorm viel Energie gespart und der CO₂-Ausstoß reduziert werden, wenn wir den COP auf zehn und mehr steigern. Die internationale Energieagentur hat den Bedarf an Klimaanlagen bis zum Jahr 2050 analysiert und dabei stellte sich heraus, dass der Bedarf bei bis zu 5 Milliarden Klimaanlagen liegen wird. Man kann sich vorstellen, welcher Energiebedarf dafür nötig ist und welcher CO₂ Abdruck dabei entstehen wird. Unsere Wärme-Kältemaschinen sind ein echter Beitrag zum Umweltschutz und zur Energieeinsparung.  Der Transfer von unserem Prototypen in den Markt wird noch ein paar Jahre dauern. Investoren, die dieses enorme Potential mitnehmen wollen, sind herzlich willkommen.

Was sind eure drei wichtigsten Company Values?

Eine Frage, die in zweierlei Hinsicht beantwortet werden kann. Im Äußeren und im Inneren. Der Mehrwert, den wir den Kunden bieten, ist sehr breit. Abgesehen vom Technischen, wie enormen Energiereduzierung und Einsparung von Bauraum, ist ein wichtiger Value unser Team. Hierbei meine ich nicht uns drei Gründer, sondern das gesamte Team. Wir haben eine fantastische Mischung aus alten Hasen und jungen, sehr gut ausgebildeten Doktoranden, die auch Mitgesellschafter in den beiden Tochterunternehmen sind.

Ein schlagkräftiges und sehr erfahrenes Team, welches die Sprache der Industrie spricht, Kundenforderungen in echte Produkte übersetzen kann und Erfahrung mitbringt, Produkte zu industrialisieren, gepaart mit dem Grundlagenwissen und Erfahrungsschatz dieser neuen Technologien aus der Forschung.

Im Inneren ist unsere Liste der Firmenwerte länger als drei Begriffe und es gäbe viel dazu zu sagen. Die Themen der Nachhaltigkeit und die des menschlichen Miteinanders, dem Vertrauen und der Selbstverpflichtung haben wir unter der Überschrift „Respekt“ zusammengefasst. Die der Forschung, Entwicklung und der Entscheidungsfreudigkeit mit „Mut“ und im Sinne unserer Arbeitsweise, dem Marketing, Märkten, dem Lean-Management und Produktion mit „Fokus“.

Was war der größte Fehler, den ihr bisher gemacht habt?

Wenn man mit Investoren redet, ist es schwierig deren Rahmenbedingungen genau zu erkennen, also in welchem Ausmaß sie investieren wollen, können und dürfen. Es ist elementar diesen Prozess im Vorfeld genau geklärt zu haben. Wenn man dabei nicht genau zielt, macht man sich viel Arbeit und trifft dann nicht genau den Investitionsrahmen des Investors. Dadurch verschwendet man tatsächlich Zeit.

Welchen Tipp würdet ihr anderen Startups geben?

Also der erste Tipp ist sich die genaue Marktsituation anzuschauen, um das Produkt oder die Erfindung richtig am Markt platzieren zu können. Der Added Value ist für den Markt außerdem sehr wichtig, denn wenn dieser nicht vorhanden ist, gibt es auch keine Kunden. Das zweite ist, das Produkt nie unter Wert zu verkaufen. Das Startup muss sich bewusst sein, welchen Mehrwert es bietet. Als Drittes sollte man niemals in irgendwelche besetzten Märkte über den Preis einsteigen. Das ist ein Fehler im Ansatz. Und die letzte Empfehlung ist, sich die besten Leute zu suchen, die man am Markt finden kann, insbesondere in den Bereichen, in denen man selbst keinerlei Erfahrung hat. Macht hierbei keine Kompromisse. Lieber kostet es das Doppelte, aber man ist viermal so schnell.

Könnt ihr uns drei andere Startups nennen, die ihr interessant findet und die man sich eurer Meinung nach auf jeden Fall anschauen sollte?

Unsere Töchter, die wir gegründet haben.

Zum einen ist das die mateligent iDEAS, für intelligente dielektrische Aktor- und Sensorsysteme, die sich schwerpunktmäßig um den Bereich der elektroaktiven Polymere kümmert.

Zum anderen ist das die mateligent nititec, welche sich um den Bereich der Aktor- und Sensorsysteme auf Basis von Nickel Titan Legierungen und die Elastokalorik kümmert.

Ein Startup das schon gewachsen ist, mit dem wir sehr gerne zusammenarbeiten, ist Ingpuls, mit Sitz in Bochum. Ein Unternehmen, welches mit dem wissenschaftlichen Know-how aus der Uni, den Mut hatte in die Produktion zu gehen.

Was ist eure Vision für die nächsten fünf Jahre?

Wir haben einen ganz konkreten Businessplan und trotzdem ist ein gutes Startup nur so erfolgreich, wie es bereit ist, sich flexibel an die Situation anzupassen. Und so kann ein guter Businessplan immer nur eine Richtung vorgeben und das wahre Leben erzeugt dann die Realität. Wir haben uns spannende Ziele gesetzt. Wir wollen unser erstes Produkt im Bereich der Automatisierungstechnik in der Greifer-Technologie als elektrische Greifer und Vakuum-Sauggreifer auf den Markt zu bringen. Unser Plan ist, in drei Jahren in der Serie zu sein. Wir möchten alle Spezialisten, die schon mit uns zusammenarbeiten, zu 100% an Bord haben. Vollprofis aus dem Markt, die so begeistert sind, dass sie alle am liebsten heute schon bei uns in Vollzeit arbeiten würden. In fünf Jahren wollen wir ein bekannter und potenter Arbeitgeber im Saarland sein. Das ist ein großer Plan, ich weiß. Aber man muss sich große Ziele setzen.

Was wäre eure Traumkooperation?

Wenn man sich unseren Visionsbaum anschaut, also wie unsere Firma sich aufteilt und mit den Töchtern wächst, dann ist es natürlich so, dass wir für die einzelnen Segmente in den Töchtern Kooperationspartner suchen. Da gibt es drei mögliche Stufen. Für uns wäre es ideal, einen Leadkunden zu haben, mit dem wir ein bestimmtes Produkt spitz in einen spezifischen Markt bekommen. Es ist besonders im Marketing sehr wichtig, genau zu wissen, wo die Stärken liegen. Und natürlich reden wir mit diesen potenziellen besten Lead Kunden bereits. Die zweite Stufe wäre, einen Lead Kunden zum Partner machen zu könnten, der sagt, wir gehen für dieses Marktsegment mit euch in eine gemeinsame Investition in Form eines Joint Venture. Dann wäre mehr Kapital da und die Geschwindigkeit ist erheblich höher. Als dritte Stufe wären auch reine Investoren denkbar. Dabei ist im Saarland die Montanstiftung unser Wunschpartner, weil wir im Bereich der Nickel Titan Technologie auch das Thema der Schmelze in der Zukunft vor uns haben werden. Denken wir groß und wird die Elastokalorik erfolgreich, wird bis in zehn Jahren die Menge an Nickel Titan Legierung gegebenenfalls mit den vorhandenen globalen Kapazitäten nicht zu decken sein. Die Rohstoffe sind kein Problem. Es sind tatsächlich die Halbzeuge und die Lieferkette, die dann zusammen mit Partnern wie ingpuls aufgebaut werden muss. Und natürlich ist die Montanstiftung mit diesem Background im Saarland unser absoluter Wunschpartner. Es wäre hilfreich, wenn wir unsere Begeisterung, in die Montanstiftung transportieren könnten. Dies wäre tatsächlich eine Investition in das Saarland und die Nachhaltigkeit.

Wenn euer Startup ein Lied wäre, welches wäre es?

Ich bin selbst Musiker und mir schwirren sehr viele Lieder im Kopf, die zu mateligent passen könnten. Es gibt ein Lied, das ich einfach phänomenal finde und welches mich immer wieder begeistert, und zwar von Pentatonix (PTX) – Daft Punk, weil es so ein bisschen die Schnelllebigkeit und die Komplexität der Welt in ein Lied packt und das ganze sehr futuristisch darstellt. Außerdem ist es ein perfektes Team. Fünf verschiedene Leute, fünf verschiedene Stimmlagen, die perfekt harmonieren. Jeder für sich kann das nicht erbringen. Als Team und Vocal-Ensemble sind sie sensationell. Ich kann nur sagen, dass dieses Lied bei uns auf dem Messestand rauf und runter läuft, weil es eben unsere Emotion vollendet transportiert.

 

Wir wünschen mateligent weiterhin viel Erfolg und freuen uns, dass uns ein Einblick in eine weitere saarländische Gründungs-Erfolgsgeschichte gewährt wurde!

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